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mem - on being light and liquid
solo show
at Kunsthalle Winterthur
2021

curated by Oliver Kielmeyer



Lisa Biedlingmaier structures the two exhibition rooms at Kunsthalle Winterthur as a dialectic between the conscious in the main hall, and the unconscious in the small hall. In the brightly lit main hall, a site-specific installation consists of various ropes, ballet barres and mirrors. Despite their normal function in a would-be dance studio, these elements are installed in unpractical positions; the ballet barres do not provide any support and the mirrors are installed high on the walls, so that they enlarge the space but do not reflect the visitors. As an ensemble the room has a dysfunctional atmosphere, leaving the audience alone in their decision of whether to physically engage with the installation or not.
In the darkly lit small hall, a variety of works are installed: A 6-channel-audio piece includes so called “energetic codes” (a system of vocal sounds meant as an energy healing method, developed by the Spanish therapist Elisa Carbajo Pereda) sung by the artist, dripping noises and sounds of the gong; laser-cut Plexiglas panels hang from the ceiling, combined with a ballet of light beams, dancing over the room, creating reflections and shadow-plays through the entire installation. This dense and active setting is completed by eight radio plays, written by Biedlingmaier together with the international artist group M.Paradoxa on occasion of the exhibit and also available as a take-away poster. The stories are diverse reflections and narrations on the idea that even the most disparate things that on first sight look completely independent, are interconnected. Lisa Biedlingmaier’s work explores the unexpected and sometimes absurd interdependencies that are inherently elusive but also crucial to being in between.

German below




Unter dem Titel mem - on being light and liquid vereint Lisa Biedlingmaier (*1975, lebt und arbeitet in Zürich) in der Kunsthalle Winterthur zwei verschiedene Bezugssysteme: mem ist gemäss Método Amaranta, eine von Elisa Carbajo Pereda entwickelte spirituelle Praxis, ein sogenannter energetischer Code und steht für das Fliessende. on being light and liquid verweist auf ein Kapitel in Anthony Elliotts Buch The Contemporary Bauman, in welchem er basierend auf Schriften von Zygmunt Bauman die Eigenschaften von Flüssigkeiten als soziologisch wertvoll und ausgesprochen zeitgemäss beschreibt: Liquidität ist gleichbedeutend mit anpassungsfähig, beharrlich und mobil.
Entsprechend den beiden Ausstellungssälen konzipiert Lisa Biedlingmaier zwei unterschiedliche Raumsituationen: Der Oberlichtsaal steht für die bewusste Wahrnehmung, der Seitenlichtsaal für das Unbewusste. Im hellen Oberlichtsaal entsteht ein grosses Gefüge aus geknoteten Seilstrukturen, in welches Ballettstangen und Spiegel eingelassen sind. Nimmt man deren herkömmliche Nutzung als Massstab, so sind beide in äusserst unpraktischen Positionen platziert; die Ballettstangen bieten für Tanzübungen keinerlei Halt und die Spiegel sind derart hoch im Raum angebracht, dass sie diesen zwar vervielfältigen, den Betrachter allerdings zum Verschwinden bringen. Insgesamt wirkt der Raum dysfunktional und das Publikum muss selbst entscheiden, ob es sich auf eine physische Interaktion tatsächlich einlassen möchte.
Der abgedunkelte Seitenlichtsaal symbolisiert das Unbewusste, wobei das Abtauchen unter die Wasseroberfläche als Metaphe dient. Der Buddhismus kennt das Bild eines Sees mit glatter Oberfläche, was nur möglich ist, wenn absolute Windstille herrscht; der Wind steht für den Geist, und schaffen wir es ihn zu beruhigen, so offenbart sich das, was unter der Wasseroberfläche liegt. Im Seitenlichtsaal der Kunsthalle sind dies eine 6-Kanal-Audioarbeit, in der sich gesungene energetische Codes mit Wassergeräuschen und Gongklängen verbinden, gelaserte Plexiglasarbeiten und ein Ballett aus Lichtkegeln, die darüber hinwegtanzend für Schatten und Lichtreflexionen sorgen. Dieses mehr als reichhaltige Angebot wird vervollständigt von einer Anzahl Hörspielen, welche die Künstlerin gemeinsam mit der Künstlerinnengruppe M.Paradoxa eigens für die Ausstellung in der Kunsthalle neu geschrieben hat. Die Geschichten sind autonome und durchaus unterschiedliche Reflexionen und Erzählungen, die jedoch aufzeigen, wie verschiedenste Dinge, die auf den ersten Blick vielleicht zusammenhangslos erscheinen, miteinander verbunden sind. Es geht dabei um unerwartete bis abstruse Wechselwirkungen und um jenes schwer fassbare, letztendlich aber entscheidende Dazwischen.


Oliver Kielmeyer